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Disulfiram (Antabus®)

Lieferunterbrechung von Antabus® Dispergetten 

Nach wie vor kann es zu Versorgungsengpässen für Antabus® kommen, welches für die Rezidivprophylaxe der Alkoholabhängigkeit zugelassen ist. Bei betroffenen Patientinnen und Patienten kann der Einsatz alternativer für diese Indikation wirksamer und zugelassener Substanzen erwogen werden. Informationen zur aktuellen Situation siehe unter www.drugshortage.ch.

Die folgenden entsprechenden Wirkstoffe sind in der Schweiz erhältlich: Acamprosat (Campral®), Naltrexon (Naltrexin®) und Nalmefen (Selincro®). Der Einsatz dieser Substanzen ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Wirkmechanismen, Kontraindikationen und Limitationen individuell zu prüfen. Es gilt insbesondere zu beachten, dass es sich bei Naltrexon und Nalmefen um Opioidantagonisten handelt, die die Wirkung opioidhaltiger Medikamente blockieren. Ihr Einsatz bei Patientinnen und Patienten in bestehender Opioidagonistentherapie ist kontraindiziert, da sie bei diesen schwere Entzugssymptome auslösen können. 

Wirkung

  • Durch Hemmung des Enzyms Aldehyddehydrogenase (ALDH) kann der Alkohol nicht komplett abgebaut werden und es kommt zum Anstieg des giftigen Zwischenproduktes Acetaldehyd. Der hierdurch entstehende aversive Effekt der Alkohol-Disulfiram-Reaktion bzw. das "Flush-Syndrom" sollen die Patientinnen und Patienten am Weitertrinken hindern; bei empfindlichen Patientinnen und Patienten kann diese Reaktion auch durch geringe Alkoholmengen in Gang gesetzt werden (z.B. Weinessig im Salat, alkoholhaltiger Deostift, Rasierwasser etc.); andere Patientinnen und Patienten können grössere Mengen Alkohol ohne gravierende Probleme trinken.
  • Der früher (nur in der Schweiz) durchgeführte sog. „Trinkversuch“ mit Disulfiram, war eine intensivmedizinisch überwachte Einnahme von Alkohol nach dreitägiger Disulfiram - Einnahme (diente u.a. dazu herauszufinden, wie sensibel eine Patientin oder ein Patient reagiert, aber auch um ihm die sehr unangenehmen Auswirkungen konkret aufzuzeigen); Hersteller des Medikaments lehnen diese Massnahme klar ab
  • Sicherzustellen ist, dass die Patientin oder der Patient über die Wirkungen und Nebenwirkungen genauestens informiert wurde; eine schriftliche Aufklärung über Wirkungen und Nebenwirkungen, die die anordnende Ärztin oder der anordnende Arzt und die Patientin oder der Patient unterschreiben, ist in jedem Fall empfehlenswert (Informationsblatt)

Indikation

Grundsätzlich ist Disulfiram nicht das Medikament der ersten Wahl für eine abstinenzorientierte Behandlung und kann diskutiert werden bei Betroffenen, die nach mehreren Versuchen ohne medikamentöse Unterstützung keine Abstinenz aufrechterhalten konnten.

  • Disulfiram ist nur einsetzbar bei zuverlässigen Patientinnen und Patienten mit guter Compliance, die mittels dieses Aversionsmittels absolut abstinent leben wollen
  • Die Therapie unter diesem Medikament ist sinnvollerweise gekoppelt mit ambulanten psychotherapeutischen Massnahmen
  • Disulfiram sollte kontrolliert abgegeben werden (Apotheke, Hausarztpraxis, Suchtberatungsstelle); in Deutschland und vielen anderen Ländern ist die Substanz nicht mehr zugelassen

Kontraindikationen

  • Ausgeprägte psychiatrische Komorbidität (akute Manien, Psychosen, Suizidalität) insbesondere mit hoher Impulsivität auf der Symptomebene
  • Leberfunktionsstörungen (Transaminasen, alkalische Phosphatase, GGT > 3facher Normgrenzwert)
  • Epilepsie
  • Periphere Polyneuropathie
  • Schwangerschaft
  • Nieren- oder Herzerkrankungen
  • Relative Kontraindikation: Diabetes mellitus

Vor Therapie

  • EKG
  • Labor: Leberwerte (Transaminasen, alkalische Phosphatase, GGT), Kreatinin
  • Vor der ersten Einnahme muss in einem Alkoholtest nachgewiesen sein, dass dieser 0 Promille beträgt
  • Informationsblatt besprechen und unterschreiben lassen

Dosierung

  • Zu Beginn über drei Tage je 1-2 Dispergetten à 400 mg zur Aufsättigung
  • Als Erhaltungsdosis 1/2 Dispergette pro Tag oder 1 Dispergette jeden zweiten Tag. Bei gut laufenden Disulfiram-Programmen kann ggf. auf eine 2-malige Gabe pro Woche übergegangen werden

Labordiagnostik

  • Die Leberwerte dürfen max. das 3-fache der Norm bei Behandlungsbeginn betragen; empfohlen wird in den ersten drei Monaten 14 tgl., danach 2-4 x jährliche Kontrolle von ALAT und ASAT

Nebenwirkungen

  • Vorübergehend Benommenheit, Antriebsmangel aber auch –steigerung, allergische Hautreaktion, Kopfschmerzen, Durchfall, Verstopfung, metallischer/ knoblauchähnlicher/schwefliger Geschmack im Mund
  • Nach längerer Einnahme (6-12 Monate) gelegentlich Libidoverlust/ Impotenz
  • Medikamentös induzierte Hepatitis (sehr selten 1: 25000); bei Auftreten dieser Komplikation muss die Behandlung beendet werden und stellt für die Patientin oder den Patienten aufgrund der grossen Gefahr des Wiederauftretens eine Kontraindikation für weitere Behandlungsversuche mit Disulfiram dar

Interaktionen

  • Disulfiram verstärkt die Wirkung gerinnungshemmender Medikamente und die des Phenytoin durch eine verminderte Metabolisierung besagter Pharmaka
  • Disulfiram führt möglicherweise zu einer Demethylierung von Diazepam und Chlordiazepoxid, was zu einem erhöhten sedierenden Effekt der entsprechenden Pharmaka führt
  • Eine Kombination mit Metronidazol kann zu Verwirrtheitszuständen führen
  • Cave: Cytochrom P-450 Hemmung (Interaktion mit einigen Benzodiazepinen) 

Therapiedauer

  • Individuell festlegen
  • Von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren
  • Am besten zwischen Ärztin oder Arzt, Patientin oder Patient, Suchtfachstelle und Angehörigen gemeinsam besprechen und vorerst als „Absetzversuch“ bezeichnen