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Entzug

Wurden früher Entzugsbehandlungen und medikamentöse Umstellungen v.a. stationär durchgeführt, finden diese heute in verschiedenen Settings statt:

Ambulanter Entzug

Der ambulante Entzug von Benzodiazepinen ist möglich und Erfolg versprechend. Dabei müssen einige Aspekte berücksichtigt werden:

  • Relative Kontraindikation: Epilepsie und Benzodiazepin-Entzugsdelir in der Anamnese
  • Bei Vorliegen eines Entzugswunsches sollte ausschleichend über 4-10 Wochen abdosiert werden; schlagartiges Absetzen ist zu vermeiden.
  • Bei Hochdosisabhängigkeit oder lange dauernderLow-Dose-Abhängigkeit kann der Entzug wesentlich länger dauern (bis zu einem Jahr oder länger).
  • Kurzwirksame Benzodiazepine sowie Zolpidem und Zoplicon sollten auf eine Äquivalenzdosis eines Standard-Benzodiazepins (meist retardiertes Alprazolam, Diazepam, Chlorazepat oder Clonazepam) umgerechnet werden; bei Konsum mehrerer Benzodiazepine ist die gesamte Äquivalenzdosis zu berücksichtigen.
  • Die Umstellung sollte schrittweise erfolgen. Meist empfiehlt es sich, mit der Abenddosis zu beginnen gefolgt von der Morgendosis. Anschliessend können die tagsüber eingenommenen Dosen des ursprünglichen Präparats mit entsprechender Steigerung des neuen Benzodiazepins ersetzt werden. Nicht immer müssen die errechneten Umstellungsdosen erreicht werden. Aufgrund der längeren Halbwertszeit stellen sich stabile Blutspiegel erst nach einigen Tagen ein.
  • Bei langwirksamen Benzodiazepinen kann mit der Substanz selbst oder einer der oben genannten Standardsubstanzen entzogen werden.
  • Bei Lebererkrankungen ist es sinnvoll, aufgrund der Kumulationsgefahr auf Diazepam zu verzichten und stattdessen Oxazepam oder Lorazepam zu verwenden.
  • Erfahrungsgemäss müssen die letzten Dosisreduzierungen vor dem vollständigen Absetzen in kleineren Schritten erfolgen. Für solche kleineren Reduktionsschritte sind aufgrund der Darreichungsform Diazepam (Tabletten à 5 mg bzw. Tropfen (Psychopax®; 3 Tropfen entsprechen 1 mg Diazepam) verfügbar) oder Clonazepam (Tabletten à 0.5 mg mit Bruchrille) möglicherweise besser geeignet als Alprazolam retard (nicht teilbare Tabletten à 0.5 mg).
  • Eine psychologische Unterstützung der Entzugsbehandlung (z.B. durch regelmässige Gespräche bei Hausärztin oder Hausarzt und/oder Suchtfachstelle) ist durchzuführen, auch kann die Verwendung anderer Psychopharmaka notwendig werden.
  • Die Methode der motivierenden Gesprächsführung eignet sich bei dieser Abhängigkeitsform gut. Dabei ist das geringe Störungsbewusstsein bei Low-Dose-Benzodiazepinabhängigkeit besonders zu beachten.
  • Durch den Wegfall der Benzodiazepinwirkung kann eine psychische Komorbidität symptomatisch werden (posttraumatische Belastungsstörung; Angststörung; Psychose), die fachlich korrekt diagnostiziert und behandelt werden muss. In solchen Fällen empfiehlt es sich, eine konsiliarische psychiatrische Beurteilung durchführen zu lassen. Ggf. muss auch eine begleitende psychotherapeutische Behandlung der Komorbidität erfolgen, um einen erfolgreichen Entzug zu ermöglichen.
  • Bei Misslingen des ambulanten Entzuges, bei Hochdosisabhängigkeit von Benzodiazepinen oder bei ausgeprägter komorbider Abhängigkeit (Opioide, Alkohol, Kokain) stellt ein stationärer Entzug die nächste Behandlungsstufe dar.
  • Entzugssymptome:
    • Sofort auftretend:
      • emotionale Labilität, Agitiertheit, psychomotorische Unruhe, Aggressionen, Kopfschmerzen, innere Unruhe
    • Häufig:
      • Sehstörungen, Muskelverspannungen, Tremor, depressive Verstimmungen, Appetitstörung, vermehrtes Schwitzen
    • Belastend:
      • Angst, Schlafstörungen, Albträume, sensorische Überempfindlichkeit (Licht, Lärm), illusionäre Verkennungen
    • Gefährlich:
      • paranoid-halluzinatorische Zustandsbilder, Delirium, Entzugsepilepsie
    • Lang anhaltend:
      • Schlafstörungen, Angst, Depression, gastrointestinale Symptome, Parästhesien, Tinnitus, verschiedene neuromuskuläre Symptome, Schmerzen.

Stationärer Entzug

  • Indikation:
    • Misslingen des ambulanten Entzuges
      • z.B. wegen im Entzug symptomatisch werdender psychischer Komorbidität
    • Hochdosisabhängigkeit von Benzodiazepinen, die bei komorbiden Abhängigkeiten (Opioide; Alkohol, Kokain) oft zu beachten ist.
    • Entzugsepilepsie
  • Alle Entzugsstationen führen auch Benzodiazepin-Entzüge durch.
  • Ein stationärer Entzug bietet Gelegenheit zu einer eingehenden psychiatrischen Diagnostik mit der Möglichkeit, komorbide Störungen korrekt zu therapieren, eventuell durch eine zusätzliche Medikation (Neuroleptika, Antidepressiva).
  • Technisch entspricht der stationäre Entzug dem ambulanten Entzug:
    • Ggf. Umstellung auf langwirksames Benzodiazepin (vgl. Aequivalenztabelle)
    • langsamer Abbau, aber schneller als im ambulanten Rahmen möglich (Wochen bis Monate)
    • Anpassung (oft vorübergehende Erhöhung) der Opioidmedikation wie Methadon, retardiertes Morphin oder Buprenorphin (Subutex®) im Rahmen der Agonistentherapie
    • intensive therapeutische Begleitung
  • Entzugssymptome:
    • Sofort auftretend:
      • emotionale Labilität, Agitiertheit, psychomotorische Unruhe, Aggressionen, Kopfschmerzen, innere Unruhe
    • Häufig:
      • Sehstörungen, Muskelverspannungen, Tremor, depressive Verstimmungen, Appetitstörung, vermehrtes Schwitzen
    • Belastend:
      • Angst, Schlafstörungen, Albträume, sensorische Überempfindlichkeit (Licht, Lärm), illusionäre Verkennungen
    • Gefährlich:
      • paranoid-halluzinatorische Zustandsbilder, Delirium, Entzugsepilepsie
    • Lang anhaltend:
      • Schlafstörungen, Angst, Depression, gastrointestinale Symptome, Parästhesien, Tinnitus, verschiedene neuromuskuläre Symptome, Schmerzen

Teilentzug

Personen mit einer Kombination von mehreren Substanzstörungen konsumieren oft in unkontrollierter und abhängiger Weise Benzodiazepine. Dort, wo ein vollständiger Entzug nicht möglich ist, lohnt es sich, einen Teilentzug zu versuchen. Insbesondere bei Menschen in einer Opioidagonistentherapie (Methadon, Subutex, retardiertes Morphin oder Diacetylmorphin) hat sich der Benzodiazepin-Teilentzug im stationären Rahmen bewährt. Wichtig ist hier jedoch, dass die Opioidagonisten-Medikation während des stationären Aufenthaltes weiter abgegeben wird.

Umstellung auf langwirkende Benzodiazepine

Viele Patientinnen und Patienten können nicht auf ihre Benzodiazepine verzichten. Hier ist es wichtig, kurz wirkende Benzodiazepine durch lang wirkende zu ersetzen. Eine Umstellung auf retardiertes Alprazolam, Diazepam oder Clonazepam soll nach dem im Kapitel Aequivalenztabelle angegebenen Schema vorgenommen werden.

 

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